Der gebürtige Düsseldorfer Georges Kern hat als CEO die Uhrenmarke Breitling neu positioniert. Wir trafen ihn entspannt im JW Mariott am Thurn-und-Taxis-Platz mitten im Herzen Frankfurts. Die Umsatzrückgänge im gesamten Luxusuhrenmarkt machen ihm keine Angst. Er schaut für sein Unternehmen optimistisch in die Zukunft und erzählt, wie er die Marke gestärkt hat. Er berichtet auch von seinen beruflichen Anfängen und seiner Leidenschaft für den Film. Zudem spricht er über Erfolg und Karriere. Sowie über die Irrationalität des Luxusgeschäfts.
Inhalt
Darf ich fragen, welche Uhr Sie gerade tragen?
Heute eine Navitimer, also einen Breitling-Klassiker. Für mich ist das die Ikone unter den Fliegeruhren.
Sie wechseln die Uhren täglich. Richtet sich die Wahl nach Ihrer Kleidung?
Klar. Ein gewisses Maß an Eitelkeit muss man in unserer Branche besitzen. Manchmal greife ich auch zuerst nach einer Uhr, die mir gerade gefällt. Danach richtet sich dann der Griff in den Kleiderschrank.
Die Euphorie im Luxusuhrenmarkt ist nach der Hochphase im Jahr 2023 wieder verflogen. Machen Sie sich als CEO und Mitinhaber von Breitling Sorgen?
Überhaupt nicht. Nach der Corona-Phase wollten sich die Leute etwas Gutes tun. Nach dem quälend langen Lockdown kauften sich die Leute zum Beispiel eine ganz besondere Uhr. Die Nachfrage stieg in unserer Branche weit über das gewohnte Maß hinaus. 50 Prozent des augenblicklichen Einbruchs sind auf die übliche Normalisierung nach solchen Ausschlägen zurückzuführen. Die übrigen 50 Prozent sind das Ergebnis einer globalen Verunsicherung aus Krise, Krieg und Zukunftsangst. Ich arbeite schon lange in der Industrie und kenne das Auf und Ab. Der Uhrenmarkt kommt wieder.
Als Sohn eines Düsseldorfer Luxusjuweliers sind Sie mit Uhren groß geworden. War als Kind die Faszination schon da?
Das wäre übertrieben. Mein Vater wollte, dass mein Bruder und ich studieren. Ich studierte Wirtschaft und begann meine Karriere danach in der Konsumgüterindustrie. Dass ich danach zur Uhrenindustrie wechselte, war eher Zufall oder vielleicht auch Schicksal. Natürlich habe ich eine Affinität und ein Verständnis für die Branche von zu Hause mitgebracht. Die Erziehung im Elternhaus prägt. Wir sind mit Kunst aufgewachsen. Ein Gefühl für Ästhetik und Schönheit war immer da.
„Wer braucht schon eine Uhr? Man muss für jede Uhr eine spannende Story entwickeln.“ – Georges Kern
Intuition ist der Schlüssel
Sie wurden im Jahr 2002 bei IWC der jüngste Markenchef innerhalb der Richemont-Gruppe. Wie war das?
Ich habe viel Elan mitgebracht und dann für IWC auch Resultate präsentieren können. Aber es gibt kein Rezept für Erfolg. Es reicht in der Luxusgüterindustrie nicht, intelligent zu sein. Man braucht eine Menge Intuition. Wir kreieren Bedürfnisse. Das unterscheidet die Branche von der Konsumgüterindustrie. Wer braucht schon eine Uhr? Man muss für jede Uhr eine spannende Story entwickeln. Die Menschen lieben Genuss und lassen sich begeistern. Das ist immer ein Stück weit irrational.
Lernt man auch aus Fehlern?
Das ist ganz wichtig. Ich sage zu meinem Sohn gern, ich möchte noch einmal 20 sein, aber mit meinem Wissen von heute. Das ist viel wert. Eine Anekdote, die ich kürzlich gelesen habe, geht so: Auf einem Passagierschiff schalten plötzlich die Motoren ab. Keiner findet eine Lösung. Auch renommierte Spezialisten aus dem In- und Ausland scheitern mit ihren teuren Instrumenten. Zu guter Letzt kommt ein Meister mit einem Hämmerchen und schlägt dreimal auf eine bestimmte Stelle. Sofort springen die Motoren an. Erfahrung zahlt sich eben aus und ist nur schwer zu bemessen.
Warum sind Sie 2017 zu Breitling gegangen?
Ich hatte die Möglichkeit Shareholder, zu werden. Selbstverständlich habe ich auch gesehen, welches Potenzial die Marke bietet. Das hat mich gereizt.
Breitling wurde lange vor allem mit dem Flaggschiff Navitimer in Verbindung gebracht. Die Linie präsentierte sich eine ganze Weile sehr auffällig und das Image der Marke ziemlich machohaft. Das gefiel längst nicht jedem. Viele distanzierten sich von der Marke. Brauchten Sie Mut für Ihre neue Aufgabe?
Dinge kann man ändern. Wir haben unsere gesamte Kollektion breiter aufgestellt. Alles wirkt nun reduzierter und fokussierter. Die Navitimer besitzt eine großartige Geschichte und ist als Fliegeruhr 1952 für die Aircraft Owner and Pilot Association entwickelt worden.

Vor zwei Jahren haben wir diese ikonische Linie neu aufgelegt, dabei haben wir das Zifferblatt aufgeräumt und das Gehäuse abgeflacht. Schlichter und kleiner sollten die Modelle wieder werden. Breitling ist immer ein Generalist gewesen. Das wollten wir wieder sichtbarer machen.
Eye Opener
Hat Sie jemand inspiriert?
Ja. Kurz nach meinem Antritt habe ich den Breitling-Sammler Fred Mandelbaum besucht. Er hat mir noch einmal die Augen geöffnet, über welche reichhaltigen Schätze wir verfügen. Sehr eindrucksvoll, was da auf dem Tisch lag. Neben der Navitimer besitzen wir weitere phantastische Linien wie Premier, Chronomat oder Superocean. Die meisten ikonischen Uhrendesigns sind 50, 60, 70 Jahre oder älter. Unsere Modelle im Modern-Retro-Look greifen auf unsere Tradition zurück und nehmen doch die heutigen Bedürfnisse mit auf. Wir unterteilen unsere Welt in Luft, Land und Meer.

Ich kenne keinen Uhrenliebhaber, der nicht von einer oder mehrerer Breitling-Linien fasziniert wäre. Ich glaube, wir sind die Marke mit der größten Relevanz. Aber das wissen viele Menschen noch gar nicht. Wir müssen also weiter an unserer Brand Awareness arbeiten.
Der Durchschnittspreis einer Breitling liegt inzwischen bei rund 7.000 US-Dollar. Gibt es Grenzen nach oben und unten?
Das wird man sehen. Der Durchschnittspreis ist gestiegen, weil wir inzwischen mehr Inhalte bieten. Im Augenblick liegen unsere Preise je nach Modell zwischen 4.500 und 20.000 Euro. Die Golduhren liegen auch darüber.
Auch Breitling muss sich der Branchenkrise stellen.
Wir sind in den vergangenen sieben Jahren sehr stark gewachsen. Wir konnten viele Marken hinter uns lassen. Natürlich sind alle Luxusuhrenhersteller von der momentanen Zurückhaltung der Kunden betroffen. Breitling steht jedoch gut da und wir verzeichnen in den USA bereits wieder Zuwächse. In Europa ist die Lage momentan für alle herausfordernd. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in China entwickeln wird.
Kann es sein, dass als Reaktion auf die rapide Digitalisierung ausgefeilte und edle Handwerkskunst bald wieder hoch geschätzt wird?
Das war vor 25 Jahren entscheidend, als es vor allem um die Technik der Uhrwerke ging. Dann rückte das Design nach vorn. Heute geht es um die Stärkung der Marke. Die Großen werden noch stärker werden. Am Ende wird es sich auf sechs oder sieben Branchenführer konzentrieren. Das hängt mit der Globalisierung des Geschmacks zusammen. Das ist nicht nur bei Uhren so. Netflix gibt beispielsweise in der Filmindustrie den Ton an.
Wenn du nicht oben dabei ist, wirst du nicht mehr wahrgenommen und bekommst Schwierigkeiten. Das ist in der Uhrenindustrie genauso. Auch kleine Marken von großen Muttergesellschaften haben zu kämpfen. Natürlich wird es weiter Nischenproduzenten geben. Aber sie spielen nur am Rande mit. Es gilt: The winner takes it all.
Trend zu großen Marken
Was bedeutet das für Breitling?
Dass wir noch weiter nach vorn wollen. Als ich vor sieben Jahren als CEO angefangen habe, lagen wir irgendwo hinter Platz 30. Inzwischen belegen wir die neunte Position in der Branche. Wir feiern gerade den 140. Geburtstag des Unternehmens. Auch im Jubiläumsjahr ruhen wir uns nicht aus. Wir streben nun einen Platz unter den Top 5 an. Wichtig ist, dass man den Dreiklang aus Marke, Design und Technik mit einer geschickten Verpackung verbindet. Das haben wir in unseren Boutiquen getan.
Wir wollen die relaxte Alternative zu all den konservativen Marken sein. Das sehen Sie in der Art und Weise, wie wir kommunizieren; zum Beispiel mit Surfen und Kelly Slater oder Triathlon und Jan Frodeno. Cooler zu sein ist uns in unseren Boutiquen mit ihrem Loftcharakter gelungen. Jeder erkennt sofort, dass er bei Breitling ist.

Zum 140-jährigen Jubiläum präsentiert Breitling Limited Editions seiner drei Flaggschiff-Modelle Premier, Navitimer und Chronomat. Jedes ist mit dem Kaliber B19 ausgestattet. Das neue Kaliber ist das erste Uhrwerk der Marke mit ewigem Kalender und Mondphase. Es korrigiert automatisch Monate mit 28, 30 und 31 Tagen sowie Schaltjahre und kann daher fast 100 Jahre lang ohne größere Anpassungen laufen. Bemerkenswert ist auch die Gangreserve von circa 96 Stunden.
Sie kreisen nicht nur um Chronographen. Sie haben beispielsweise Filme produziert.
Und tue es noch immer. Ich mag besonders Komödien. Ich habe auch schon ein Drehbuch und Treatments verfasst. Aktuell laufen drei Serien-Projekte in England, Frankreich und der Schweiz. Serien dominieren ja mittlerweile den Markt.
Sie haben bereits einen Fulltime-Job. Brauchen Sie noch zusätzliche Arbeit?
Ich habe große Freude an allem, was ich mache Das Leben gliedert sich in drei Phasen. Erst müssen Sie machen, was die anderen wollen. Dann machen Sie nichts mehr, was Sie nicht wollen. Und in der dritten Phase machen Sie dann das, was Sie wollen. Ich bin froh, angekommen zu sein.
Herr Kern, wir danken Ihnen für das interessante Interview.
Die Fragen stellte Thomas Zorn
Über Georges Kern
Georges Kern wird 1965 in Düsseldorf als Sohn eines Juweliers geboren. Er studierte zunächst Politikwissenschaften in Straßburg und graduierte dann in St. Gallen im Fach Business Administration. Er fing danach bei Kraft Foods in der Schweiz an, bevor er in die dortige Uhrenindustrie wechselte. Im Jahr 2002 wurde er Marken-CEO bei IWC in Schaffhausen. Seit 2017 ist er CEO von Breitling in Grenchen und gleichzeitig Anteilseigner. Er produziert Filme und engagiert sich sozial. Er lebt in der Schweiz und besitzt die deutsche, die eidgenössische und die französische Staatsbürgerschaft. Georges Kern nutzt die Tage möglichst effizient. Am liebsten verbringt er die Zeit mit seiner Familie. Zur Entspannung setzt er sich aufs Rennrad, auf dem er im Jahr Tausende von Kilometern zurücklegt.
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