Trotz 2,01 Meter nie von oben herab: Diplom-Theologe Martin Blach hat bei Lotto Hessen einen weiteren Traumjob angetreten. Porträt eines Glücklichen.
Von Peter Lückemeier und Helmut Fricke (Fotos)
Inhalt
Erst kürzlich hat er wieder einem Lottogewinner einen Gratulationsbrief geschrieben. Um 354.000 Euro war der Mann reicher geworden. Handschriftlich hat Martin Blach hinzugefügt: „Und feiern Sie schön!“ Dieser hedonistische Imperativ passt zu ihm, denn der Chef von Lotto Hessen ist erstens ein emotionaler Mensch und zweitens einer, der dieser Welt, seinen Mitmenschen und sich selbst positiv begegnet. Einer wie er wird wahrscheinlich auch niemals von „Work-Life-Balance“ sprechen – schon deshalb, weil er Arbeit und Leben nicht als Gegensätze versteht. Folgerichtig sagt er denn auch: „In der größten Krise und der ärgsten Belastung bin ich immer gern ins Büro gefahren. Ich habe und hatte nur Traumjobs.“
Seine Arbeitsstellen boten in der Tat genügend Gelegenheit für den Beweis guter Nerven und innerer Widerstandskraft: Vier Jahre lang diente Diplom-Theologe Martin Blach dem jungen Ministerpräsidenten Roland Koch als persönlicher Referent, ein Knochenjob. Zwei Jahre war er für das Veranstaltungsmanagement in der Hessischen Landesvertretung in Berlin verantwortlich. Vierzehn Jahre lang brauchte er, um die Stiftung Kloster Eberbach nach einem Korruptionsfall erst zu sanieren und dann unbestritten zukunftsfit zu machen; der Abschied fiel unter allgemeinem Lob, wie er selber sagt, „hochemotional“ aus.
Und seit dem 1. Juli 2022 steht er an der Spitze von Lotto Hessen, der nach Pro-Kopf-Umsätzen stärksten der sechzehn deutschen Lottogesellschaften, die sich allesamt in staatlicher Hand befinden. Mit seinem Vorgänger Heinz-Georg Sundermann duzt er sich, zum Abschiedsfoto legte der langjährige Geschäftsführer seinem 47 Jahre alten Nachfolger geradezu väterlich die Hand um die Schulter.
„Meine Vorstellung von Führung orientiert sich am christlichen Menschenbild.“ – Martin Blach
So schwer dem 2,01 Meter großen Martin Blach der Abschied vom Kloster Eberbach wurde – an der neuen Aufgabe in den schönen Räumen der Wiesbadener Rosenstraße hat ihn vor allem das Unternehmerische gereizt und die schiere Dimension der neuen Aufgabe: Verantwortete er im Rheingau mit 70 Mitarbeitern ohne die Gastronomie einen Umsatz von 3,5 bis 4,5 Millionen Euro, so sind es bei Lotto Hessen 200 Mitarbeiter und 740 Millionen Euro.
Übrigens spricht Martin Blach nicht von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern von Kolleginnen und Kollegen. Er betrachtet sich als Primus inter Pares, als Erster unter Gleichen. Oder als Dirigent, der ja auch nicht jedes Instrument beherrschen, aber für den guten Gesamtklang sorgen muss. Und dann sagt Blach etwas, das man von einem deutschen Manager eher selten hören wird: „Meine Vorstellung von Führung orientiert sich am christlichen Menschenbild.“
Theologiestudium als Grundlage
Gewachsen ist diese Haltung des katholisch sozialisierten ehemaligen Messdieners beim Studium der katholischen Theologie an der renommierten Jesuiten-Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Für dieses Neigungsfach entschied er sich nicht, um Priester zu werden – da schien ihm die Hürde des Zölibats doch zu hoch – , sondern als breite Grundlage für einen späteren Job in Management oder Kommunikation. Die Beschäftigung mit der Philosophie, „bei der ich manche Sätze dreimal lesen musste, ehe ich sie verstand“, mit den Kirchenvätern und der Historie der Päpste, mit biblischer Exegese, mit Schöpfungs-, Sakramenten- und Fundamentaltheologie verband Martin Blach mit einem einjährigen Aufenthalt am Boston College in Massachusetts und sonst „mit wenig Urlaub, aber vielen Praktika“.
Unter anderem sammelte er in diesen Studienjahren Erfahrung bei Nestlé, der Frankfurter IHK, der Deutschen Welle und dem Adenauer-Haus. Der inzwischen verstorbene CDU-Generalsekretär Peter Hintze, übrigens ursprünglich ebenfalls (evangelischer) Theologe, verschaffte ihm ein Praktikum bei Dirk Metz, dem kongenialen Sprecher Roland Kochs. In der Staatskanzlei wurde man aufmerksam auf die Talente des blonden Hünen. Irgendwann rief Roland Koch bei ihm an und machte ihm ein Angebot, das kein ehrgeiziger junger Mann ablehnen konnte: Macht und Verantwortung aus unmittelbarer Nähe zu erleben.

Dem jungen persönlichen Referenten des Ministerpräsidenten hat der Journalist Hajo Schumacher in dessen sonst sehr kritischer Biographie „Roland Koch – Verehrt und verachtet“ ein kleines Denkmal gesetzt. Er nennt ihn einen dieser stillen Helden, ohne die unsere Demokratie in wenigen Stunden zusammenbräche: „Als persönlicher Referent muss Blach auf Augenzwinkern reagieren, muss jeden Wunsch, jeden Ärger, jedes Bedürfnis seines Herren gespürt haben, am besten eine Sekunde früher als der selbst. Blach verwaltet Termine, das Handy, hält das Sakko knitterfrei, den Aktenkoffer im Blick, die Mappen unterm Arm: Eine Bürgerfrage? Beantwortet Blach. Eine Anregung? Notiert Blach. Beschwerden? Alle zu Blach.“
Vier Jahre mit wenig Schlaf, aber jeder Menge authentischer Erfahrungen in der Nähe eines Mannes, der ein Bundesland verändern will, der zugleich aber entgegen seinem Image ein fürsorglicher, freundlicher Chef ist – eine so lange Zeit in der unmittelbaren Nähe eines Alpha-Tiers prägt. Doch anders als sein früherer Chef hat Martin Blach nichts Distanziertes. Er tritt freundlich und verbindlich auf. Die typisch nach unten geneigte Haltung des Kopfes ist nicht nur der Körpergröße, sondern auch der inneren Zugewandtheit geschuldet.
Man lernt bei der Beobachtung Martin Blachs schnell, dass man trotz 2,01 Meter nicht „von oben herab“ wirken muss. Doch wie Koch lässt Blach den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel Spielraum. Blach fragt sie bei der Lottogesellschaft dann auch, ob eine Detailfrage wirklich der Chef entscheiden müsse, ob nicht die eigene Expertise ausreiche. Auch hier gilt wieder die Metapher vom Dirigenten, der nicht selber jedes Instrument beherrschen muss.
Martin Blach hat die Zukunft des Lottospiels im Blick
Und die Richtung stimmt bei der Lotto Hessen GmbH ja sowieso. An die Spitze der deutschen Lottogesellschaften rücken nicht selten verdiente Männer, die diese Stellung als Krönung ihrer Laufbahn verstehen und sich im Chefsessel zurücklehnen. Bei Martin Blach und dessen Vorgänger ist das anders. Beide dachten und denken unternehmerisch und haben die Digitalisierung als den großen Treiber ihres Geschäfts begriffen.
Zwar können die Spieler noch immer in 2.100 Verkaufsstellen ihre Lottoscheine abgeben oder Rubbellose kaufen, doch immer mehr Hessen geben ihre Tipps an SB-Terminals oder online ab. Hier können sie ihr Konto virtuell rasch auf- oder entladen, können ihre Zahlen für Lotto am Samstag, am Mittwoch und die Eurojackpot-Lotterie am Computer oder Handy ankreuzen, Rubbellose erwerben oder Schnellspiele machen – der Vergleichstest einer Computer-Zeitschrift hat das hessische Onlineportal fünf Mal hintereinander zum besten aller sechzehn Lottogesellschaften erklärt.

Noch immer ist übrigens das klassische Samstagslotto der Hauptumsatzbringer, gefolgt vom Freitagslotto Eurojackpot, Rubbellosen und dem Spiel 77. Jeder zweite Euro der hessischen Einsätze gilt dem Samstagslotto. Knapp 117 Euro pro Jahr gibt statistisch gesehen jeder Hesse bei Lotto Hessen aus. Die digitale Zukunft aber wird nicht bei den traditionellen Lotterien enden: Die Lottogesellschaft aus Wiesbaden hat längst um die Erlaubnis angefragt, ein virtuelles Online-Casino mit Automatenspielen zu betreiben.
Geht das nicht ein bisschen weit für eine staatliche Gesellschaft? Auch auf diese Frage hat Martin Blach eine Antwort. Er findet es besser, dass der Staat die natürliche Spielfreude kanalisiert und reguliert, als der Ausbreitung unerlaubter Glücksspiele auf dem Schwarzmarkt tatenlos zuzusehen.
Lotto-Spieler in Hessen sind gute Menschen
In der Tat ist der deutsche Glücksspielmarkt stark reguliert. Durch den Gesetzgeber vorgegeben ist aber auch etwas anderes, das Martin Blach uneingeschränkt großartig findet: Jeder Kunde von Lotto Hessen ist ein guter Mensch, denn nach dem Hessischen Glücksspielgesetz fließen 50 Prozent der Einsätze an die Spieler, 14 Prozent sind für Marketing, Provisionen für die Verkaufsstellen und Verwaltung bestimmt, aber 36 Prozent gehen an das Land Hessen und werden für Sport, Denkmalpflege, Sozialprojekte, Kultur, Bildung und Umwelt ausgegeben.
Das sind pro Jahr inklusive Steuern für das Land rund 260 Millionen Euro, seit 1949 sind fürs Gemeinwohl stolze fünf Milliarden Euro zusammengekommen. Martin Blach will diese Botschaft künftig noch stärker betonen, während er den bestehenden Slogan „Nur wer mitspielt, kann gewinnen“ für „genial“ hält.
90 Millionen Euro für Lotto-Spieler aus dem Rhein-Main-Gebiet
In der Tat gelang es 13 Hessen im Jahr 2022, eine Million Euro oder mehr zu gewinnen. 117 waren es, die mindestens einen sechsstelligen Betrag auf ihrem Konto gutgeschrieben bekamen (alle Gewinne über 8.000 Euro werden überwiesen). Der Höchstgewinn von unvorstellbaren 90 Millionen Euro im Eurojackpot traf im Mai 2021 ein Spieler aus dem Rhein-Main-Gebiet. Im laufenden Jahr kam immerhin schon der fünfte Millionengewinner aus Hessen. Ein Tipper aus Wiesbaden kassierte für seine sechs Richtigen 1,2 Millionen Euro. Spielt auch Martin Blach Lotto? Klar, sagt er, und zwar mit Kundenkarte. „Schon um zu demonstrieren, dass unsere Regeln für alle gelten, dass wir nicht manipulieren.“
Der neue Lotto-Chef, verheiratet mit einer Juristin und Vater eines dreijährigen Sohnes, macht den Eindruck, dass er auch bei einem hohen Gewinn seinen Posten nicht aufgeben würde. Dazu macht er ihm erkennbar viel zu viel Freude. Bei der Amtsübergabe von Heinz-Georg Sundermann auf ihn war viel von den großen Fußspuren die Rede, in die Martin Blach nun trete. Aber bei Schuhgröße 48 dürfte das kein Problem sein.
Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Print-Ausgabe. Sie wollen schneller informiert sein? Hier können Sie ein Abonnement abschließen.
