Die Mediation als außergerichtliche Beilegung eines Streits wird immer beliebter. Im Vergleich zum Gerichtsverfahren ist das auf Kompromiss angelegte Konzept oft schneller und kostengünstiger. Es liegt in der Verantwortung der über Kreuz liegenden Parteien, ob tragfähige Lösungen für den Konflikt gefunden werden. Der Mediator darf nämlich keine eigenen Vorschläge machen.
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Der Vermittler hat in dem klar geregelten Verfahren die Aufgabe, Brücken zu bauen und die Beteiligten zu sensibilisieren, damit sie die Interessen und Motive auch der anderen Seite wahrnehmen können. Von der Geschicklichkeit des Mediators hängt viel ab, damit ein vernünftiges Gespräch zwischen den Kontrahenten überhaupt zustande kommt. Das erfordert Erfahrung und Fingerspitzengefühl.
Prof. Dr. Roland Fritz, bis 2013 Präsident des Verwaltungsgerichts Frankfurt, hat sich nach seiner Pensionierung auf die neue Aufgabe gestürzt. Abwägen, moderieren und bewerten war jahrzehntelang sein Geschäft. Das macht es jetzt einfacher. „Dennoch ist Moderation noch einmal etwas ganz anderes“, sagt der in Hanau aufgewachsene Hesse. „Als Richter war ich es, der nach Rechtslage ein Urteil fällte. Nun helfe ich anderen dabei, gemeinsam aus ihren Schwierigkeiten herauszukommen und eine für sie passende Lösung zu finden.“
Mediation braucht Erfahrung
Die Fähigkeit, die Streitenden zusammenzubringen, fällt einem nicht in den Schoß, auch nicht Richtern oder Anwälten. Roland Fritz hat ab 200 berufsbegleitend eine Ausbildung zum Mediator an verschiedenen öffentlichen und privaten Institutionen absolviert. Danach schloss sich ein Masterstudiengang in Mediation und Konfliktmanagement an der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder an.
Noch kann sich jeder Mediator nennen. Doch der Beruf stellt hohe Anforderungen. Nur die in Psychologie, Kommunikation und Verhandlungsführung geschulten Spezialisten sind zu empfehlen. Das Mediationsgesetz fordert zwar, dass ein Mediator „in eigener Verantwortung durch eine geeignete Ausbildung und eine regelmäßige Fortbildung sicherstellt, dass er über theoretische Kenntnisse sowie praktische Erfahrungen verfügt, um die Parteien in sachkundiger Weise durch die Mediation führen zu können.“ Doch das bleibt sehr allgemein.
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Zertifikat schützt vor Missbrauch bei Mediation
Wer sich jedoch „zertifizierter Mediator“ nennen will, muss bestimmte definierte Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört laut Gesetz eine mindestens 120-stündige Ausbildung und eine supervidierte Mediation. Auch regelmäßige Fortbildung wird verlangt. Die Mediationsverbände, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein, der Deutsche IndusÂtrie- und Handelskammertag und die Bundesnotarkammer haben sich bislang allerdings noch nicht auf eine gemeinsame Akkreditierungsstelle einigen können, um die Standards zu vereinheitlichen. Doch in der Gruppe der zertifizierten Mediatoren wird man immer kompetente Frauen und Männer finden, die auch komplexen Herausforderungen gewachsen sind.
Die Expertise von Prof. Fritz fragt auch schon mal das Bundesjustizministerium nach. Erst im Sommer hat der aufgeschlossene und vielseitig interessierte Frankfurter – zusammen mit Dr. Dietrich Pielsticker – ein über 1.200 Seiten umfassendes Handbuch zum Mediationsgesetz veröffentlicht. Der jung gebliebene 73-Jährige bildet selbst Richter, Rechtsanwälte und Studenten zu Mediatoren aus. Er mag es, wenn die Teilnehmer unterschiedliche Perspektiven einbringen. „Das schult für später“, konstatiert er. Denn mit wechselnden Blickwinkeln auf Situationen und Konstellationen zu schauen, gehöre zum Rüstzeug eines erfolgreichen MediaÂtors. „Du musst eine Weile in den Mokassins eines anderen gehen, um ihn verstehen zu können“, zitiert er einen populären Spruch unter Mediatoren.
Mediation: Win-Win-Situation erwünscht
Die Methode stammt aus den Vereinigten Staaten. Sie etablierte sich dort in den Siebzigerjahren. Es brauchte gut zwanzig Jahre, ehe die Kunst des Ausgleichs in Deutschland richtig Fuß fasste. Mittlerweile ist die Mediation in den USA fest im Rechtssystem verankert. Prozesse können so oft vermieden werden. Auch Deutschland macht langsam Fortschritte.
Dass die Streitenden es selbst in der Hand haben, eine Win-Win-Situation herzustellen, mache den besonderen Reiz aus, glaubt Roland Fritz. Natürlich dürfe der Zündstoff nicht zu groß sein. Wer nur noch Rache wolle, wie das von Kathleen Turner und Michael Douglas gespielte Ehepaar im legendären Hollywood-Drama „Rosenkrieg“, eigne sich natürlich nicht für die Mediation, stellt der Experte fest.
Vertraulichkeit und Verschwiegenheit sind eine Voraussetzung für das Gelingen. Die Neutralität des Mediators eine andere. Er soll Wertschätzung, Offenheit und Neugierde ausstrahlen. Das Prozedere beginnt mit einer Aufklärung über die Spielregeln. Dann wird eine Mediationsvereinbarung abgeschlossen, in der auch das Honorar – in der Regel ein Stundensatz – festgelegt ist.
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Mediation ist Lösung in Eigenverantwortung
In der zweiten Phase stellen die streitenden Parteien ihr Anliegen dar. Themen und Konfliktfelder werden gesammelt. Danach einigt man sich über die Reihenfolge der zu behandelnden Punkte. Informationen werden ehrlich ausgetauscht. In Phase drei werden die hinter den Positionen stehenden Interessen gemeinsam herausgearbeitet. Dann bringen die Parteien Lösungsvarianten ein, bis man sich auf einen Vorschlag einigt. Üblich ist, zum Abschluss das Ergebnis schriftlich festzuhalten. Es hat sich bewährt, nach einer bestimmten Frist noch einmal zu überprüfen, ob das Ausgehandelte auch wirklich funktioniert und tragfähig ist.
Roland Fritz ist vor allem im öffentlichen Sektor, in der Wirtschaft und im Familien- und Erbrecht engagiert. Er versteht sich als „Dialogpartner“. Das klingt für ihn unbelasteter als „Mediator“. Als renommierter Jurist nach der Pensionierung einen neuen Weg eingeschlagen zu haben und damit zu reüssieren, erfüllt ihn ein bisschen mit Stolz. Manchmal sei es gar nicht so schwer, den gordischen Knoten durchzuhauen. Kürzlich seien beispielsweise die Spannungen zwischen dem Management eines deutschen Unternehmens und dem Geschäftsführer einer asiatischen Tochterfirma recht leicht lösbar gewesen. Der chinesische Partner fühlte sich nicht auf Augenhöhe behandelt. Daraus resultierten Störungen, die schnell beseitigt werden konnten, als die Ursache des Problems erkannt war.
Auch bei öffentlichen Planungsvorhaben mit Bürgerbeteiligung ist die Moderationsfähigkeit von Fritz erwünscht. Zusammen mit anderen Kollegen hat er die deutschlandweit tätige Firma „adribo Mediation“ gegründet. In heiklen Fällen könnten so gleich mehrere zertifizierte Mediatoren angeboten werden. „Zu 90 Prozent führt die Mediation zum Ziel“, zieht Fritz seine persönliche Erfolgsbilanz.
Konstruktiv statt destruktiv bei Mediation
„Grundsätzlich ist Mediation immer dann sinnvoll, wenn eine Beziehung aufrechterhalten werden soll“, meint Jörn Valldorf, Sprecher des Bundesverbandes Mediation (BM), mit rund 2.800 Mitgliedern die größte Mediatoren-Organisation im deutschsprachigen Raum. Das könne bei einem Nachbarschaftsstreit ebenso der Fall sein wie bei Unstimmigkeiten mit dem Arbeitgeber, Kollegen oder Geschäftspartnern. Auch die Auflösung einer zerrütteten Ehe müsse nicht von Anwälten ausgefochten werden. „Gerade wenn Kinder im Spiel sind, ist es wichtig, nicht noch mehr Porzellan zu zerschlagen.“
Britta Stiel, Fachanwältin für Arbeits- und Familienrecht und Mediatorin aus Kronberg, hat inzwischen Zweifel, ob eine Scheidung wirklich gut von einem Mediator abgewickelt werden könne. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft eine Partei die Mediation vorschlägt, um besser als vor Gericht davonzukommen. Vor allem dann, wenn sie über das größere Vermögen verfügt.“ Es werde nicht mit offenen Karten gespielt. Aber schließlich schauten noch einmal die Anwälte drüber. Dann breche die mühsam errichtete Konstruktion zusammen und die getroffene schriftliche Vereinbarung halte nicht. „Es ist sehr ärgerlich, wenn die Mediation für intransparente Spielchen missbraucht wird, weil die finanziellen Verhältnisse nicht offengelegt werden sollen“, findet die Mutter von zwei Töchtern.
„Sehr gut bewährt hat sich das Verfahren jedoch bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.“ Die gebürtige Hamburgerin hat beobachtet, dass dort die Bereitschaft größer sei, Vergangenes fair aufzuarbeiten. Ein Arbeitnehmer wolle in der Regel seinen Job behalten und die Arbeitgeberseite wisse, dass eine Kündigung sehr teuer werden könne. „Meist lässt sich gut nachzeichnen, wie sich die Unzufriedenheit auf beiden Seiten aufgebaut hat“, erzählt sie. Es sei dann kein Hexenwerk, die ZusammenÂarbeit zu verbessern. „Oft muss nur an ein paar Stellschrauben gedreht werden.“ Nicht alle Experten teilen diese Erfahrung: Die Bereitschaft des Arbeitgebers für eine Mediation sei nicht immer vorhanden.
In die richtige Richtung
„Es macht mir Spaß, etwas mit anderen in die richtige Richtung zu bringen“, stellt Britta Stiel fest. Wie vor Kurzem, als sie an einer Schule moderierte. Die Leitung wollte ein Flüchtlingskind von der Schule verweisen. Der Junge war aggressiv, störte permanent den Unterricht und wurde gemobbt. „Wir haben dann gemeinsam aufgearbeitet, woran es lag.“ Das Kind war einfach überfordert und nicht in der Lage, sich zu konzentrieren. Es wurde eine Klasse zurückversetzt. „Damit konnten alle leben.“ Eine Moderation sei meist „wesentlich anstrengender“ als eine anwaltliche Tätigkeit, berichtet Stiel. Aber auch befriedigender. „Ich will mich nicht mein ganzes Leben vor Gericht herumstreiten“, bekennt sie.
Viele Anwälte sehen, dass ein Konflikt mit einer rein rechtlichen Herangehensweise leicht eskalieren kann. Eine Mediation sei häufig zielführender, ist BM-Sprecher Jörn Valldorf überzeugt. Er hofft, dass sich das Verfahren weiter etabliert und genutzt wird. „Es wäre gut und zeitgemäß, wenn wir künftig stärker auf Ausgleich setzen.“
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- Proksch, Stephan (Author)
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