Donatus von Hessen steht an der Spitze des Hauses Hessen. Nicht nur nebenbei arbeitet er auch als mittelständischer Unternehmer. Die Geschichte seiner Familie ist eng mit dem britischen Königshaus verbunden. Mit der Queen unterhielt er sich am liebsten über Pferde. Porträt eines Vielbeschäftigten.
Er war 17 oder 18, als er zum ersten Mal der Queen begegnete. Natürlich hatte Donatus von Hessen Herzklopfen. Aber das ließ schnell nach, erzählt er, denn Königin Elisabeth habe die Gabe besessen, den Menschen rasch ihre Befangenheit zu nehmen. Nach Schloss Windsor war der junge Donatus damals mit seinem Vater Moritz Landgraf von Hessen gereist. Viele Aufenthalte in dem weitläufigen Schloss folgten, längst trägt Donatus selber den Titel „Landgraf“ seines im Mai 2013 verstorbenen Vaters. Heute sagt er über Windsor, wer von dieser Schlossanlage nicht fasziniert sei, den könne nichts beeindrucken. Und die Queen empfand er als warmherzig und an den Menschen interessiert. Er habe in der Umgebung der Königin viele interessante Persönlichkeiten erlebt: „Sie schien sie danach auszusuchen, ob sie amüsant waren und etwas zu erzählen hatten.“
„Die Queen schien die Personen in ihrer Umgebung danach auszusuchen, ob sie amüsant waren und etwas zu erzählen hatten.“ – Donatus von Hessen
Worüber die beiden sprachen? Vor allem über Pferde, die Begeisterung für die Vierbeiner verband die beiden: „Wir haben stundenlang Pferde angeschaut, sie aufmerksam beobachtet und beurteilt.“ Ein hübsches Foto aus dem Jahr 2019, aufgenommen bei der Royal Horse Show in Windsor, zeigt die beiden beim Pferde-Fachsimpeln; die am 8. September verstorbene Königin trägt dabei ihre Outdoor-Freizeitbekleidung, Mantel mit Kopftuch. Die Monarchin, eine begeisterte Züchterin mit etwa 180 Pferden, verfügte nicht nur über das nötige Wissen, den sogenannten Pferdeverstand, sondern brachte den Tieren nach den Beobachtungen ihres deutschen Verwandten auch großes Einfühlungsvermögen entgegen. Vor Jahren schenkte der heutige Chef des Hauses Hessen der Queen auch mal eine Trakehner-Stute, mit der die Queen mit Begeisterung weiter züchtete.
Das Reiten und die Trakehnerzucht sind nur kleine Ausschnitte aus der Lebenswirklichkeit des Prinzen. Man könnte ihn auch als Schlossbesitzer, Landwirt, Stiftungs Vorstandsvorsitzenden, Veranstalter von Fürstlichen Gartenfesten, Hotelier und Winzer bezeichnen. Natürlich stimmt das nicht im buchstäblichen Sinne, denn das Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda (eine Stunde von Frankfurt entfernt, ein absoluter Freizeit-Tipp!) und das Schlosshotel gehören nicht ihm als Person, sondern sind Teil der Hessischen Hausstiftung und der Kulturstiftung des Hauses Hessen. Und für Pferdezucht, Landwirtschaft, Hotelführung, die Kultur-Stiftung des Hauses Hessen und das Weingut „Prinz von Hessen“ beschäftigt er insgesamt 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insofern agiert der 56 Jahre alte studierte Betriebswirt vor allem als mittelständischer Unternehmer, der größte Teil des Umsatzes entfällt auf die landwirtschaftliche Sparte; angebaut wird vor allem Getreide. Den Direktoren, sagt der schlanke Mann, der gerne lacht, lasse er viel Beinfreiheit.
Buch-Tipp
- Kulturstiftung des Hauses Hessen, Archiv des Hauses Hessen, Museum Schloss Fasanerie (Author)
Heinrich Donatus Philipp Umberto Prinz und Landgraf leitet aber nicht nur ein diversifiziertes Unternehmen, er ist seit 2003 auch Chef des Hauses Hessen. In dieser Eigenschaft führt er als einziges der vier Kinder des Moritz‘ von Hessen und der Tatiana Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg den Titel Landgraf von Hessen. So lässt er sich ansprechen, er würde aber auch auf „Herr von Hessen“ reagieren. Die protokollarisch angemessene Anrede „Königliche Hoheit“ lässt er sich gefallen, sie ist aber nicht nötig.
Der Landgraf ist nicht übertrieben adelsstolz, aber er weiß es zu schätzen, dass er aus einer Familie stammt, die das Schicksal Hessens mitgestaltet hat und deren Hauptlinien Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel bedeutende Persönlichkeiten hervorbrachten. Er ist unter anderem ein Urururenkel der Queen Victoria und ein Urenkel des italienischen Königs Viktor Emanuel III. Der im Jahr 1888 verstorbene deutsche 99-Tage-Kaiser Friedrich III. war sein Ururgroßvater. Die Spuren dieses an Kehlkopfkrebs verstorbenen Monarchen reichen indirekt bis in die Gegenwart. Dessen Frau Vicky, bis heute bekannt als „Kaiserin Friedrich“, ließ sich als Witwensitz das Schloss Friedrichshof in Kronberg bauen, seit 1954 wird es als Schlosshotel betrieben. Bis heute atmet das Anwesen im Tudorstil mit seinen zahlreichen Kunstschätzen den Charakter eines britischen Adelslandsitzes. Hier wurden auch die meisten Innenszenen für den Kinofilm „Spencer“ über Lady Diana mit Kristen Stewart gedreht.
Diese Geschichte seines Hauses versucht Donatus von Hessen auch seinen drei Kindern nahezubringen – nicht streng, nicht per Abfrage. Aber sie dürfen schon wissen, dass ihre Familie bis 1263 zurückreicht, dass Landgraf Philipp der Großmütige die Universität Marburg gründete oder Friedrich von Hessen-Kassel schwedischer König war. Oder dass die Linien Darmstadt und Kassel wieder zusammengeführt wurden, als Ludwig von Hessen und bei Rhein und dessen Ehefrau Margaret 1960 Donatus‘ Vater Moritz von Hessen adoptierten. Der Umstand, dass das Haus Hessen mit halb Europa verwandt ist, fand seinen Ausdruck auch darin, dass Donatus zu den Begräbnissen von Prinz Philip wie von Queen Elizabeth eingeladen wurde.
Er geht mit diesem Privileg nicht hausieren, aber es war ihm in beiden Fällen eine Ehre. Dass er – gemeinsam mit Bernhard von Baden und Philipp zu Hohenlohe-Langenburg – in Corona-Zeiten zu den nur dreißig Trauergästen zählte, hatte der Gemahl der Königin vor seinem Tod selbst verfügt. Das lag an verwandtschaftlichen Gründen: Zwei von Philipps vier Schwestern, nämlich Cecilia und Sophie, hatten hessische Prinzen geheiratet; überdies war Prinz Philip ein Battenberg.
Donatus spricht nicht nur von Königin Elisabeth, sondern auch von deren Ehemann mit großer Sympathie. Beeindruckend am Prinzgemahl, der im Alter von 99 gestorben war, fand er dessen lebensbejahende Haltung.
Obwohl Prinz Philip altersbedingt gesundheitliche Einschränkungen hinzunehmen hatte, mochte er keine Gespräche darüber: „Sollte jemand Krankheiten angesprochen haben, hat er darauf sogar unwirsch reagiert.“ Donatus von Hessen erinnert sich auch daran, dass der Prinzgemahl, der Deutsch sprechen konnte, es ungern tat – auch wenn einem deutschen Besucher ein englisches Wort nicht einfiel, half er ihm nicht auf die Sprünge.
Prinz Philip hatte seine deutsche Verwandtschaft dabei aber stets gepflegt, war Gast bei Trauungen und Taufen und besuchte öfter Schloss Wolfsgarten zwischen Langen und Egelsbach, wo er sich unter anderen mit seinen in Deutschland lebenden Schwestern traf. Zum ersten Mal war der 1921 geborene Philip 1937 hier zu Gast gewesen. Der spätere Duke of Edinburgh und sein Sohn Charles, der neue britische König, kamen 1997 zur Trauerfeier für Prinzessin Margaret in die Darmstädter Stadtkirche. Beim umjubelten Staatsbesuch der Queen 1965 unterbrachen sie und Prinz Philip für vier Stunden das offizielle Programm, weil die beiden zum Verwandtenbesuch nach Schloss Wolfsgarten fuhren.
Hier in Wolfsgarten, erbaut zwischen 1721 und 1724 als Jagdschloss für die Parforcejagd, also die berittene Hetzjagd auf Hirsche, wohnen Donatus von Hessen und seine Frau Floria, eine geborene Gräfin von Faber-Castell, an den Wochenenden, sonst leben sie in Kronberg. Ihre beiden ältesten Kinder, ein Zwillingspärchen, sind 15 Jahre alt und besuchen seit einiger Zeit ein deutsches Internat hoch im deutschen Norden als Erziehungsprinzipien gelten dort Leistung und Gemeinschaft. Ihre Ferien verbringen sie in der Holsteinischen Schweiz, wo ihr Vater aufwuchs. Und wie er reiten sie. Der Erziehungsberechtigte findet, dass die Pflichten, die man als Reiter für sein Pferd zu übernehmen hat, nicht die schlechteste Methode ist, früh Verantwortung einzuüben. Der jüngere Sohn, zehn Jahre alt, betreibt einen Mannschaftssport, er spielt mit Begeisterung Fußball.
„Die Pflichten, die man als Reiter für sein Pferd zu übernehmen hat, sind nicht die schlechteste Methode, früh Verantwortung einzuüben.“ – Donatus von Hessen
Sport, frühe Übernahme von Verantwortung und nicht zuletzt das Vorbild der Eltern sollen helfen, dass die Kinder, die in einem so prächtigen Umfeld und im Bewusstsein einer langen Familientradition groß werden, nicht abheben oder hochnäsig werden. „Es ist relativ einfach“, sagt der Familienvater: „Jeden Tag aufstehen, zur Arbeit gehen, vormachen. Rituale wie gemeinsame Mahlzeiten gehören auch dazu.“
Mittelständischer Unternehmer zu sein ist mit Sorgen vielfältiger Art verbunden. Donatus von Hessen lässt sich dadurch aber offenkundig nicht schrecken. Einen gestressten Eindruck macht er ganz und gar nicht. Vielmehr scheint er es zu schätzen, dass er sich mit täglich wechselnden Themen zu beschäftigen hat – von der Pferdezucht über die Fünf-Sterne-Hotellerie bis zu den Schwankungen der Getreidepreise. Die Schließung des Grandhotels „Hessischer Hof“ vor zwei Jahren und die coronabedingte vorübergehende Pause für das Schlosshotel waren teuer, denn Heizung, Klimaanlage und die Substanzerhaltung der Gebäude sorgten weiter für Kosten, und das Hotelpersonal in Kronberg wurde nicht entlassen, was sich jetzt als Glücksfall erweist.
Hier, am ehemaligen Witwensitz der Kaiserin Friedrich, soll eine Vielzahl von Veranstaltungen auch ein gehobenes Klientel aus dem Rhein-Main-Gebiet anziehen: Salon-Konzerte, Wein-Galas, Afternoon-Teas, Brunches, Heringsessen, Vier-Gänge-Menüs zum Valentinstag, erstmals ein kleiner, aber feiner Weihnachtsmarkt oder ein literarischer Salon mit der FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel und interessanten Gästen wie dem Büchnerpreisträger Martin Mosebach stehen auf dem Programm. Der Chef des Hauses und der Firma ist nach Möglichkeit dabei – freundlich, lachbereit und mit dem hellwachen Blick eines guten Gastgebers.
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