Sie hat es als einzige deutschsprachige Frau geschafft, alle 193 UN-Staaten der Welt zu bereisen, die letzten drei waren Irak, Somalia und Turkmenistan. Mitreißend erzählt sie ihre unglaublichen Erlebnisse im ► Buch „Die Ländersammlerin“, das sich sage und schreibe 80 Wochen in der Spiegel-Bestsellerliste hielt. Elf vollgestempelte Reisepässe hat Nina Sedano vorzuweisen, hunderte unbekannte Orte stehen noch auf ihrer Liste. Doch für kein Abenteuer dieser Erde würde die prominente Weltenbummlerin ihre Wohnung im Frankfurter Nordend aufgeben.
Inhalt
Ein Leben ohne Reisen? Unvorstellbar. Heimweh? Nie gehabt. Deutschlands meistgereiste Frau war immer auf Achse. Schlief im zentralafrikanischen Rebellengebiet auf dem Betonboden, verbeugte sich vor NordÂkoreas mumifiziertem „ewigen Präsidenten“ Kim Ilsung, hüllte sich in Saudi-Arabien und im Iran in einen für ihre 1,76 Meter viel zu kurzen Tschador und holte sich in Aserbaidschan eine Hammelfleischvergiftung. Nichts von alledem möchte sie missen. Und jetzt? „Dieses Jahr bin ich so wenig gereist wie noch nie“, seufzt Nina Sedano, während sie es sich auf ihrem cremefarbenen Ledersofa gemütlich macht: „Insgesamt zwei Wochen im Ausland, das war’s. Das gab’s in den letzten 20 Jahren nicht. Sonst war ich oft sechs, einmal sogar zehn Monate im Jahr unterwegs.“ Zum Ende eines jeden Reise-Abenteuers gehört jedoch auch immer die Vorfreude auf ihre 63 Quadratmeter mit Balkon: „Ich liebe meine Wohnung, wie man seine Wohnung nur lieben kann. Ich freue mich nach jeder Reise, wieder heimzukommen.“
Leitungswasser statt Luxus
Frankfurt ist Ninas Heimathafen, hier ist sie geboren und aufgewachsen. Mit 22 hat sie sich die 2-Zimmer-Wohnung in einem 1950er-Jahre-Haus im 1. Stock im Nordend gekauft, Jahr für Jahr abgestottert und dafür auf jeglichen Luxus verzichtet. „Ich konnte und kann beruhigt reisen, weil ich weiß, meine Wohnung ist immer da. Das ist eine große Erleichterung, wenn man so viel unterwegs ist“, erklärt sie. Den Entschluss, alle Länder der Erde zu bereisen, fasste Nina, als sie realisierte, dass ihr Wunsch, einen Mann zu finden und eine Familie zu gründen, nicht aufging. Da war sie 36, geschieden und in ihrem Job als Abteilungsleiterin eines Kreditinstituts kreuzunglücklich. Sie nahm ihren Mut zusammen und kündigte, um sich ganz ihrer großen Leidenschaft zu widmen: dem Reisen! Seit sie als Bürokauffrau in Vollzeit arbeitete, nutzte sie jeden Brückentag, jedes Wochenende, um unterwegs zu sein. Um ihre Trips zu finanzieren, sparte sie eisern, trank sie daheim nur Leitungswasser und Tee, fuhr nur Fahrrad. Heute kann sie vom Verkauf ihrer Reisebücher und ihren TV-Auftritten leben. Nach „Die Ländersammlerin“ hat sie „Fernweh im Herzen“ und „Happy End“ geschrieben, ein ErfahrungsÂbericht über die stillen Örtchen dieser Welt.
Sie spricht sieben Sprachen
Ihre Wohnung: kunterbunt und international. In jeder Ecke, an jeder Wand, zeugen exotische Mitbringsel von Entdeckerlaune und Abenteuerlust: das mit Lemuren bedruckte Baumwolltuch aus Madagaskar, die Dämonen-Maske aus Bali, das geschnitzte Liebespaar von den Fiji-Inseln, der Sombrero aus Mexiko oder den Holz-Elefant aus Kenia. Jedes Stück hat eine Geschichte, die Nina Sedano mit leuchtenden Augen erzählt.
In den Regalen in Wohn- und Schlafzimmer unzählige Reise- und Sprachbücher, deren Umschlag-Deckeln man ansieht, dass sie unzählige Male hervorgekramt, gebraucht und wieder weggepackt wurden. „Bücher sind für mich essentiell. Ich habe verschiedene Bücherregale. Eines nur mit Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und Italienisch spreche ich neben Deutsch, verständigen kann ich mich auf Russisch, Arabisch und Griechisch. Gerade lerne ich Dänisch. Ich muss unbedingt meinen Kopf trainieren. Sprachen sind dafür ideal. In anderen Regalreihen habe ich Reisebücher und Fotobände. Für Romane habe ich keinen Platz. Die gebe ich weiter, wenn ich sie gelesen habe.“
Ihre letzte Auslandsreise war im September nach Dänemark, letzten Dezember besuchte sie Freunde in Thailand. Eine gefühlte Ewigkeit ist das her: „Ich hatte 2020 keine großen Reisen geplant, aber Veranstaltungen, Lesungen und Auftritte mit meinen drei Büchern. Ich vermisse den Austausch mit Menschen, vor Publikum reden. Mein Hörbuch sollte zur Buchmesse erscheinen. Dass sie nicht stattfand, war eine Riesen-Enttäuschung.“
Reisen hat etwas Heilendes
Fällt der Ländersammlerin die Decke auf den Kopf? Nina schüttelt den Kopf: „Ich habe sehr viel erlebt und gesehen, sodass ich nicht mehr zwanghaft wegmuss. Ich kann mich sehr gut beschäftigen. Momentan verkaufe ich Dinge, die ich nicht mehr brauche, im Internet. Ballast abwerfen, Überflüssiges loswerden. Ich lese, pflege meine sozialen Netzwerke genauso wie vor Corona, knüpfe Kontakte und treffe mich einzeln mit Leuten. Ich gehe mit Leuten und deren Hunden Gassi, obwohl ich selbst keinen Hund habe. Aber es gibt keinen Ersatz fürs Reisen. Keinen Ersatz dafür, Dinge zu erleben. Reisen bedeutet Perspektivwechsel. Reisen hat etwas Heilendes für mich.“
Buch-Tipp
Um sich in ihren eigenen vier Wänden wohl zu fühlen braucht Nina nicht viel: „Ein gutes Buch! Ich mag Krimis, Biografien. Auf Gemütlichkeit lege ich Wert, nicht auf Design. Das Geld für teure Einrichtungsgegenstände gebe ich lieber für Reisen aus. Nur in meinem Tageslichtbad habe ich mir teure sandfarbene Fliesen mit Schirmakazien-Motiven geleistet, unter denen eine kleine Herde Impalas weidet. Mein Bad ist meine Serengeti.“ Auf Fensterbank, Fliesenboden und Wannenrand recken Dutzende gemeißelte Giraffen, Elefanten und Löwen ihre Hälse, Rüssel und Mähnen in die Höhe. Baden, umgeben von Skulpturen ihrer geliebten wilden Tiere, ist für die Weltreisende Heimat: „Ich mache mir’s gerne in der Wanne gemütlich, ganz ohne Schaum und künstliche Duftstoffe. Das hat etwas Ursprüngliches, es ist warm, wie in einem Kokon. Baden ist sozusagen mein Cocooning. In Hotels würde ich nie in eine Badewanne gehen. Ein Bad nehmen, das ist für mich daheim.“
In der Welt zuhause
Zuhause jedoch fühlt Nina sich überall da, wo sie willkommen ist: „Wenn ich bei Leuten eingeladen bin, Gast sein darf. In dem Moment, wo ich in den Ablauf integriert bin, fühle ich mich zuhause. Ob in Kuwait, Bahrain oder Kanada.“ Die persönlichen Dinge sind es, die ihre eigene Wohnung für sie besonders machen: „Ich habe viel einfache Kunst mitgebracht, aus Afrika oder Südostasien. Papierrollen von Landschaften und Tieren, Figuren von Tieren und Menschen, aus Holz und Speckstein.“
1.121 Welterbestätten besuchen
Auf Nina Sedanos To-Do-Liste stehen noch die Unesco-Welterbestätten, von denen es 1.121 weltweit gibt. Fast die Hälfte davon hat sie schon besucht, natürlich auch alle 46 in Deutschland. Diese Frau kriegt von unserem schönen blauen Planeten einfach nicht genug: „Auf Reisen bleiben Alltagsprobleme in Frankfurt. Ich bin im Hier und Jetzt, konzentriere mich auf das WesentÂliche: Was will ich sehen und erleben? Wo essen, wie übernachten?“
Von jeder Reise kommt sie gelassener, glücklicher und innerlich reicher zurück. Was wird sie tun, wenn die Pandemie noch länger andauert? Nina: „Zuhause bleiben war noch nie eine Option für mich. Ich liebe Pferde und könnte mir vorstellen, alle Reiterhöfe der Region zu sammeln, mich aufs Pferd zu schwingen und zu reiten. Raus, in die Natur! Reisen und Reiten sind die beiden Dinge, die mich erfüllen.“ Hört sich nach einem tollen Plan B an.
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