Peter Maffay trägt Lederjacke und nippt an einem Glas frischem Ingwertee: „Weil ich nachher noch ein bisschen herumjohlen möchte.“ Zwei Stunden später wird es Standing Ovations für Deutschlands erfolgreichsten Musiker und seine Band in der Paulskirche geben. Und die flapsige Ankündigung „Herumjohlen“ angesichts seiner großartigen Performance an diesem Abend ist natürlich, genau wie der ganze Mann, Understatement pur.
Bevor der Deutschrocker den Frankfurter Musikpreis 2020 entgegennimmt, wegen der Pandemie mit zwei Jahren Verspätung, sitzt er gut gelaunt im neugotischen Kapellchen im Römer und empfängt Journalisten im Fünf-Minuten-Takt, auch das Top Magazin. Kurze Einzel-Interviews mit großen Stars sind an für sich nichts Ungewöhnliches. Ganz und gar ungewöhnlich aber ist, wie viel Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit, wie viel Humor und Herzblut in nur fünf Minuten – aus denen letztendlich siebeneinhalb wurden – aus Peter Maffay nur so heraussprudeln.
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Ovationen für Peter Maffay in der Paulskirche
Eitel sei er, wie alle anderen auch, aber er mit am meisten, lächelt er auf die Frage, was ihm der Frankfurter Musikpreis, den unter anderem auch Sir Georg Solti, Udo Lindenberg und Peter Gabriel erhielten, bedeutet: „Ich bin immer eitel geblieben. Deshalb freut es mich, wenn mir so viel Aufmerksamkeit entgegengebracht wird,“ sinniert er. Und weiter: „Ein Preis, das ist immer ein Zeichen von Wertschätzung. Heute übrigens nicht nur für mich, sondern für uns alle, die ganze Band.“
Peter Maffay: 70 Preise seit 1975
Zwei Jahre gab es wegen Corona keinen Auftritt der sieben Vollblut-Musiker, auch keine gemeinsamen Proben. „Wir werden trotzdem nachher in der Paulskirche spielen und versuchen, ein bisschen Spaß zu haben mit den Leuten. Sie sollen fühlen, dass wir den Preis auch wirklich verdient haben,“ sagt Maffay und klingt dabei absolut ehrlich und authentisch – als würde auch nur der geringste Zweifel an dieser Auszeichnung bestehen. Später, in der Paulskirche, werden begeisterte Fans ihr Idol mit Standing Ovations empfangen – bevor Maffay auch nur einen Piep gesagt, geschweige denn gesungen hat. Der Frankfurter Musikpreis ist Maffays siebzigste Auszeichnung seit 1975, haben wir bei Wikipedia nachgeschlagen. Eine Zahl, die Maffay völlig unbeeindruckt zur Kenntnis nimmt: „Ist das so?“
Peter Maffay: Bescheiden und bodenständig
Maffay erhält den Frankfurter Musikpreis, der seit 1982 vergeben wird und mit 15.000 Euro dotiert ist, in „Würdigung seiner herausragenden Leistungen im künstlerischen Bereich“ sowie für sein „herausragendes soziales und gesellschaftliches Engagement“. Seit Jahrzehnten setzt er sich für benachteiligte Kinder, für die Umwelt und Frieden, gegen Gewalt, Diktatur und Rassismus ein. Seine Stiftungen unterstützen jedes Jahr Tausende kranke und traumatisierte Kinder in Einrichtungen inmitten der Natur.
Das heutige Preisgeld kommt 50 Müttern und Kindern zugute, die dem Inferno in der Ukraine entkommen und in seinem Tabalugahaus Gut Dietlhofen untergekommen sind: „Die werden sich wahnsinnig darüber freuen!“, sagt er. Es ist auch diese große Menschenliebe, gepaart mit Bescheidenheit und Bodenständigkeit, die Peter Maffay zu einem Mehrgenerationen-Künstler macht, der Leute in Deutschland und der ganzen Welt erreicht.
Wohnung im Westend
Eine entscheidende Weiche für diese Ausnahme-Karriere (23 Nummer-Eins-Alben, 50 Millionen verkaufte Tonträger) wurde in Frankfurt gestellt, wo Maffay Anfang der 1980er- Jahre lebte: „Meine zweite Frau Chris war hier Lehrerin. Wir wohnten in einer Wohnung im vierten Stock im Westend. Eine wunderschöne Zeit, an die ich gerne zurückdenke.“ Maffay lacht: „Das war jeden Tag Fitnesstraining, wenn ich mit den Einkaufstüten die Treppe raufgelaufen bin.“
Regelmäßig traf sich Peter Maffay damals mit Konzertveranstalter Fritz Rau, der in Bad Homburg wohnte: „Fritz war mein Mentor und eine der wichtigsten Begegnungen meines Lebens – dabei wollte er zuerst gar nichts von mir wissen. Er meinte zu mir: ‚Geh nach Hause und üb noch ein bisschen.‘“ Maffay lacht: „Im Gedächtnis geblieben sind mir vor allem seine cholerischen Anfälle und seine geliebte Meterwurst, die wir immer gemeinsam gegessen haben.“
Peter Maffay: Übervater Fritz Rau
Dem 2013 verstorbenen Tour-Promoter dankt Maffay auch später in der Paulskirche: „Es wäre ein Lapsus, ihn nicht zu erwähnen. Vieles wäre nicht eingetreten, wenn es Fritz nicht gegeben hätte. Ein Übervater, ein großartiger Mensch, der seinen Künstlern gegenüber immer loyal war, sie immer in den Vordergrund gestellt hat. Wir denken an ihn, wenn wir hier oben stehen.“
So wie Maffay da auf der Bühne spricht, ehrfürchtig, ja fast schüchtern, wirkt er mehr wie ein staunender Newcomer denn ein Superstar, der in mehr als 100 Ländern erfolgreich ist. „Wenn man hier in der Paulskirche steht und einen Preis bekommt, dann ist man schon ein bisschen von sich überwältigt. Bei der Fahrt hierher war mir das noch gar nicht bewusst. Wir sind ja ganz locker angereist und haben gedacht, o. k., das reißen wir einfach mal runter – und jetzt, jetzt bin ich wirklich aufgeregt!“
Seine persönlichste Tour
Im August und September geht Peter Maffay mit seiner Band und dem neuen Album „So weit“ auf 50 Jahre Bühnenjubiläums-Tour. Der Titel ist eine Hommage an seinen Weg von Kronstadt in Transsilvanien, wo er 1949 geboren wurde, bis ins Hier und Jetzt. „So weit bin ich gekommen, und die unterschiedlichsten Menschen haben mich begleitet. Mein Vater, der kürzlich verstorben ist, meine Tochter Anouk, meine Lebensgefährtin Hendrikje – sie haben alle ein Lied von mir bekommen. Lauter persönliche Songs“, sagt er und lächelt ein wenig entrückt. So wird diese Tour wohl Peter Maffays emotionalste und persönlichste werden. Und das, obwohl er vor vier Jahren, als er noch mal Vater wurde, kürzer treten wollte, um mehr Zeit für seine Familie zu haben.
Dumme Angewohnheit
Was treibt einen Peter Maffay an, auch mit 72 immer noch Vollgas zu geben? „Ich hab ja nichts anderes gelernt“, sagt er, ohne zu Zögern. „Mehr Zeit zu haben gelingt mir einfach nicht. Mein Zeitmanagement war schon immer fragwürdig. Ich habe die dumme Angewohnheit, dass ich schlecht nein sagen kann. Wenn einer mit einer guten Idee daherkommt kann er mich anzünden, dann brenne ich und bin dabei. Und wenn ich dann den Kopf in der Schlinge hab und nicht mehr rauskomme, dann merk ich erst, was ich getan hab.“ Er zuckt mit den Schultern und grinst: „Es war aber auch, andererseits, noch nie meine Art, selbst Gas rauszunehmen. Die Autobahnüberholspur muss es natürlich auch nicht immer sein. Doch mir selbst mit Gewalt sagen, jetzt bist du 72, jetzt gib endlich mal Ruhe – wozu sollte ich das?“ Pause. Und dann: „Was soll ich denn auch zu Hause? Da gehe ich anderen Leuten doch nur auf den Wecker.“
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