In der Gastro-Branche hat Jürgen Dollase einen Ruf wie Donnerhall. Deutschlands einflussreichster Restaurantkritiker zeichnet sich durch seinen eigenwilligen Schreibstil und die nahezu wissenschaftliche Akribie aus, mit der er die unterschiedlichsten Gerichte genussvoll zerpflückt. Für Top Magazin Frankfurt schreibt der äußerst unterhaltsame und polarisierende Kritiker-Papst regelmäßig als Gast-Autor. In Kooperation mit „FINE Das Weinmagazin“, Deutschlands bedeutendster Weinzeitschrift, entführt Jürgen Dollase Sie heute in den Rheingau zu fünf Restaurants, die einen kulinarischen Tagesausflug lohnen.
Der Frühling kommt und damit die magische Anziehungskraft des Rheingaus mit seinem Wein, seinen vielen kulturellen und gastronomischen Zielen, mit seinen ersten Blüten und der ersten milden Luft des Jahres. Über die Qualitäten vor allem der Rheingau-Rieslinge, aber auch zum Beispiel der Rotweine des Assmannshäuser Höllenbergs braucht man kein Wort mehr zu verlieren.
Besucher sollten aber vielleicht daran denken, dass die Weinkarten der Restaurants hier auch viele gereifte Jahrgänge anbieten, die einen ganz besonderen Genuss versprechen: gereifte Rheingau-Weine haben so etwas wie ein zweites Leben, eine eigene Qualität. Im Land des „Rheingau Musik Festivals“ und des „Rheingau Gourmet- und Wein-Festivals“ hat sich auch ein kulinarischer Schwerpunkt gebildet, eine Gastronomie, die weniger städtisch-speziell oder elitär denkt, sondern eine Art bürgerlich-zugängliche Küche auf auffallend hohem Niveau anbietet.
Ich habe dazu hier einmal fünf Restaurants ausgesucht, die ich etwas genauer vorstellen möchte. Sie sind übrigens an vielen Tagen auch schon mittags geöffnet, sodass man auch Tagesausflüge mit gutem Essen verbinden kann.
Zum Krug, Hattenheim
Eine absolute Traditionsadresse ist Zum Krug in Hattenheim, 1720 erstmals erwähnt und seit 1945 in den Händen der Familie Laufer. In dem pittoresken Fachwerkbau mit den historisch-gemütlichen Gasträumen hat Koch Josef Laufer III. eine optimierte bürgerliche Küche entwickelt, die wegen ihrer guten Produkte, ihrer handwerklichen Qualität und der traditionsverbundenen Gerichte von vielen Gästen sehr geschätzt wird.
Die „Wisperlachsforelle in leichter Rieslingsauce“ mit einem feinen Graupenrisotto kommt von dem im Hinterland gelegenen Forellenhof Seitz. Beim „Rosa gebratenen Kalbsfilet mit sautierten Kalbsnierchen in Madeira-Rahmsauce mit breiten Bohnen und Duchesse-Kartoffeln“ kommen die Qualitäten des Hauses präzise zusammen. In der riesigen Weinkarte findet man Weine des hauseigenen Weingutes, Kooperationen mit Kochlegende Franz Keller von der nahen „Adlerwirtschaft“ und viele gereifte Jahrgänge der Region.
Klosterschänke, Kloster Eberbach
Eine der größten Touristenattraktionen des Rheingaus ist das Kloster Eberbach, und das nicht erst, seitdem es für Jean-Jacques Annauds Film „Der Name der Rose“ nach Umberto Eco (u.a. mit Sean Connery) als Kulisse diente. Neben Rundgängen mit einem Blick in die berühmte Schatzkammer des Hessischen Staatsweingutes Kloster Eberbach und einem Besuch in der Vinothek sollte man auch ein Essen in der Klosterschänke einplanen.
Die Küche sieht ihre Arbeit als eine „moderne Interpretation der Klosterkochkunst“ und realisiert sie mit vielen regionalen und saisonalen Produkten und Gemüse. Das ergibt zum Beispiel ausgesprochen süffige Klassiker wie „Himmel und Erde“ oder – genau so süffig – eine regionale Spezialität namens „Woihinkelche mit Drillingen, Perlzwiebeln, Champignons und Karotten“, in Weißwein mit dem Gemüse geschmortes Hähnchenfleisch mit einem hervorragend durchgezogenen Aroma. In dem großen, wie Vieles hier puristisch und wertig gehaltenen Restaurant gibt es eine Auswahl von Eberbach-Weinen der verschiedenen Domänen.
Landhaus Diedert, Wiesbaden
Das am Rande von Wiesbaden und nahe am Wald gelegene Landhaus Diedert gehört mit seinem kulinarisch ausgeweiteten Programm zu den populärsten Adressen der Gegend. Die Spannweite der Küche reicht von einer sahnigen Fassung der berühmten Frankfurter Grünen Sauce („Grie Soß als Supp“) über internationale Klassiker wie ein „Saltimbocca von der französischen Maispoulardenbrust mit Tomatengnocchi, Dreierlei von Mais und Portweinjus“ bis zu asiatischen Spezialitäten wie dem vielfältigen „Thunfisch-Tataki mit Leche de Tigre, Sesammantel, Algen und Limette“. Die große Weinkarte umfasst regionale Weine, aber auch ein internationales Programm bis zu einer Reihe von absoluten Spitzenweinen.
Kronenschlösschen, Eltville am Rhein
Die Weine spielen vor allem im berühmten Kronenschlösschen, dem Sitz des „Rheingau Gourmet- und Wein-Festivals“ eine überragende Rolle. Der sorgsam gepflegte Weltklasse-Weinkeller steht sowohl den Gästen des Gourmetrestaurants wie denen des beliebten Bistros zur Verfügung. Und weil die Küche unter Chefkoch Roland Gorgosilich für beide Restaurants verantwortlich ist, gibt es hier nicht nur hervorragende Gourmet-Gerichte wie die „Taube Royal mit Kohlrabi, Semmelstoppelpilz und Schalotten“, sondern auch hochgradig optimierte Klassiker wie die „Geschmorte Rehkeule mit getrüffeltem Rahmwirsing, Serviettenknödel und Backpflaumenjus“ oder – Gorgosilich kommt aus Österreich – ein perfektes Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn mit Zwetschgenröster.
Restaurant Bootshaus, Bingen am Rhein
Für das Bootshaus im Hotel „Papa Rhein“ in Bingen muss man einmal ein Auge zudrücken, den Rheingau verlassen, in Rüdesheim auf die Fähre steigen und den Rhein überqueren. Der Ausflug wird sich lohnen, weil dort mit Nils Henkel einer der ganz großen deutschen Köche arbeitet, der schon einmal mit drei Michelin Sternen ausgezeichnet wurde.
In dem legeren Restaurant direkt an der Fähre und mit Blick auf Rhein und Rheingau gibt es Gerichte vom „Seglersnack“ mit Rauchaal und Rührei über den „Kabeljau in Kartoffelkruste mit Fregola, Sauce Pistou und Aubergine“ bis zu wechselnden Gerichten aus dem Fundus des Meisters, mit denen er seine Gäste (vor allem abends) immer wieder im besten Sinne verwirrt: Isst man hier nicht eigentlich Spitzenküche? Finden Sie es heraus, und viel Spaß bei Ihren Reisen oder Ausflügen!